Wer in der Mischfutterbranche tätig ist, dem begegnen irgendwann zwangsläufig Fragen wie: Wie lang ist der optimale Produktionslauf? Sind lange Produktionsläufe effektiver? Wann sollten welche Produkte gefertigt werden? Auch bei unserem kürzlich durchgeführten Webinar „Big Data“ wurden diese Fragen angesprochen. Da die Nachfrage erkennbar groß war, möchte ich das Thema in diesem Blog etwas näher betrachten. Dies ist um so wichtiger, als wir wissen, dass der Ausstoß einer Fabrik durch eine gute Planung um bis zu 25 % gesteigert werden kann (soviel zum Thema ROI).

Autor: Dennis van Lankeren - Head of Sales North America, KSE Process Technology B.V.

Die Probe aufs Exempel
Da dieses Thema sehr theoretisch ist, möchte ich zunächst kurz erläutern, wie es zu diesem Ergebnis gekommen ist. Nicht alle Modelle kann ich detailliert erläutern, denn das würde zu weit führen. Die wichtigsten Ausgangspunkte müssen jedoch zuvor klar sein. Mit einer guten und klaren Bedarfsplanung lassen sich Überraschungen vermeiden. Durch eine gründliche Analyse und Vorhersage der Auftragsmuster lassen sich Probleme, wie sie in der täglichen Praxis vorkommen (Eilaufträge, zu späte Bestellungen etc.) häufig vermeiden. Ineffizienz und Fehler, die Ausfall- und andere Kosten nach sich ziehen, werden vermindert.

Ausfallkosten fallen an durch: unnötige Transporte, unnötig große Lagerbestände, unnötige Lagerbewegungen, Wartezeiten, Überproduktion, Überbearbeitung (zu viele Handlungen für dasselbe Endergebnis) und Produktmängel. Es wird von zu fertigenden Endprodukten ausgegangen. Die Anlieferung von Rohstoffen und die zugehörigen Auftragsniveaus und Optimalwerte sind eine andere Frage, die ich in diesem Blog nicht behandeln möchte, obwohl auch diese Themen von großer Bedeutung sind.

Analyse
Um die Probe aufs Exempel zu machen, wurden Daten einer realen Fertigungsstätte analysiert. Nachfrage und Produktion aller Artikel wurden über ein Jahr hinweg betrachtet. Im Rahmen einer Simulation wurden die Bestellungen der jeweils zwei vorherigen Wochen untersucht, um ein Nachfragemuster zu gewinnen. Auf dieser Grundlage wurden ein gewünschter Lagerbestand sowie eine Grenze, bei deren Erreichen neu produziert werden muss, berechnet. Hintergrund ist dabei, dass mehrere Produktionsläufe für Vorratsprodukte vermieden werden sollen. Der Umfang des Produktionslaufs entspricht somit mindestens der Nachfrage für einen Tag (wenn eine Produktion des betreffenden Artikels überhaupt erforderlich ist).

Schritt 1: Artikel auswählen
Zuerst wurde ein Glenday-Sieb für alle zu produzierenden Artikel erstellt. Dabei handelt es sich um eine Art Pareto-Analyse, um in der Produktion stark nachgefragte Artikel zu identifizieren. Es zeigte sich, dass 22 Produkte der Kategorie A angehören, 161 der Kategorie B und alle übrigen den Kategorien C und D. Stark nachgefragte Artikel sollen stets auf Lager sein – das sind mindestens die Artikel der Kategorie A. Danach wird überprüft, wie viel Lagerkapazität noch vorhanden ist, und entsprechend werden auch Produkte der Kategorie B bevorratet. Dabei kann es auch vorkommen, dass aus bestimmten Gründen (abweichendes Matrizenmaß, lange Umrüstzeiten etc.) auch bestimmte B-Produkte bevorratet werden müssen. Diese Produkte müssen manuell zur Bevorratung vorgemerkt werden.

Hier nun zur Verdeutlichung der Theorie ein Beispiel der Analyse mit der Anzahl der Artikel in jeder Kategorie: Laut Theorie sind 6 % der Artikel für 50 % des Gesamtabsatzes verantwortlich (hier: 22 Artikel für 52,05 % des Absatzes, was die Theorie gut bestätigt).

Schritt 2: Nachfragemuster und Auftragsniveau
Nun wird unter Berücksichtigung der verfügbaren Silokapazität das Nachfragemuster für die möglichen Lagerartikel analysiert. Dazu wird die statistische Normalverteilung zugrunde gelegt, unter der Vorgabe, dass das Risiko des vollständigen Aufbrauchens des Lagerbestands gering sein muss (<5 %). Dazu werden der gewünschte Sicherheitslagerbestand und die Produktionsniveaus berechnet. Es werden die Bestellmengen und deren tägliche/wöchentliche Varianz berücksichtigt.

Um die Startverluste von Pressläufen in der Produktion zu berücksichtigen, wird davon ausgegangen, dass nur vollständige Lose (6 t) in einer Mindestzahl von x Losen produziert werden dürfen (x liegt dabei produktionsabhängig für unterschiedliche Produkte mit hoher Nachfrage bei 4 bis 10 Lose). Diese Werte ergeben sich aus der Erfahrung, ihnen liegt kein konkretes Modell zugrunde.

Auf Basis dieser Statistik werden mindestens einzuhaltende Lagerbestände berechnet. Dazu werden Auftragsmodelle verwendet, die normalerweise für Lieferanten benutzt werden: Um die Theorie anwenden zu können, wird so getan, als liefere die Fabrik an die Silos (Silo = Endkunde). Die Lieferzeit beträgt einen Tag, da einmal pro Tag entschieden wird, ob der betreffende Artikel produziert wird (und ggf. in welcher Menge) oder nicht. Es wird von einem BS-Modell mit einem täglich überprüften Auftragsniveau ausgegangen. Es ergibt sich eine zu produzierende Menge (in Form von ganzen Losen sowie einer erforderlichen Mindestzahl, je nach offenen Bestellungen und Nachfrage). Diese Menge basiert auf der Nachfrage und deren Varianz in den vergangenen zwei Wochen.

Schritt 3: Vergleich von Theorie und Praxis
Der Vergleich zwischen der tatsächlichen Produktion von Artikel X mit dem theoretischen Wert ergibt folgendes Bild:

Reality
Productie runs
 

Theory

DU5

Or if we zoom:

Reality                                           Theory
Productieruns detail

Es fällt sofort auf, dass der tatsächliche Verlauf deutlich stärker variiert. Die „theoretische“ Fabrik zeigt ein viel stabileres Verhalten. Ferner waren in der Praxis zweimal alle Lagerbestände aufgebraucht, während dies im theoretischen Modell nicht vorkommt. Der Gesamtlagerbestand ist höher, durchschnittlich 52 t in der Praxis und 85 t theoretisch. Es ist zu prüfen, ob der Silopark diese zusätzliche Menge hätte aufnehmen können (dies kann später im Modell verifiziert werden). Ich betone nochmals, dass hier reale Daten aus der Praxis verwendet wurden. Die betrachtete Fabrik hat also ungenutztes Optimierungspotential bei der Fertigungskapazität!

Schritt 4: Vergleich der A-Produkte
Die Frage, welche Vor- und Nachteile sich aus der Anwendung der sich aus der Theorie ergebenden Produktionsläufe und Lagerbestände ergeben hätten, lässt sich an einigen interessanten Kennziffern beurteilen, deren Werte für die tatsächliche Produktion und die Simulation in Form einer Tabelle gegenübergestellt und verglichen wurden:

 

Praxis

Theorie

Anzahl der analysierten Produkte

16 (bei 6 keine Analyse möglich, da keine Lagerartikel)

dieselben 16 Produkte

Anzahl x (ohne Lagerbestand)

80 x

1 x

durchschnittlicher Gesamtlagerbestand

75,805 kg

70,798 kg

Anzahl der benötigen Produktionsläufe

2451

1820

Von den insgesamt 22 A-Artikeln (B-Artikel wurden für die Betrachtung in diesem Blog außer Acht gelassen) konnten 16 analysiert werden. Die übrigen 6 Artikel wurden im Verlauf des Jahres nicht immer auf Vorrat produziert, wodurch ein „ehrlicher“ Vergleich nicht möglich ist. Es fällt auf, dass bestimmte Produkte mit hoher Nachfrage nicht bevorratet wurden, obwohl die Silokapazität dafür ausgereicht hätte. Dies kann mit hier unberücksichtigt gebliebenen saisonalen Einflüssen oder neuen Artikeln zu tun haben. Eine nähere Betrachtung ist hier sicher vielversprechend.

Auch fällt beim Vergleich direkt auf, dass im theoretischen Modell Situationen, in denen ein Vorratsartikel bestellt wird und keine Lagerbestände mehr vorhanden sind, deutlich seltener sind. Daraus ergibt sich, dass in der Praxis eine Eilproduktion stattfinden oder dem Kunden abgesagt werden musste, da nicht genügend Lagerbestände vorhanden waren. Ferner waren für die Gesamtproduktion dieser Lagerartikel 631 Produktionsläufe weniger nötig. Dies bedeutet nicht unmittelbar, dass alle Artikel in größeren Produktionsläufen hergestellt worden, aber die Bilanz in der Produktion dieser Artikel war deutlich besser. Der durchschnittliche Lagerbestand ist im Übrigen etwas kleiner, was mit der Silokapazität zu tun haben kann.

Nicht berücksichtigt wurden maximale Lagerbestände. Um die Analyse zu vervollständigen, müssen pro Artikel die Bestandsdifferenzen sowie die Anzahl der dafür vorzuhaltenden Silos betrachtet werden. Auf Basis der daraus sich ergebenden Anzahl an verfügbaren Silos können dann B-Artikel bevorratet werden.

Schritt 5: Schlussfolgerungen
Das theoretische Modell führt zu signifikanten Vorteilen in der Produktion: Weniger Produktionsläufe, weniger Eilaufträge und Wartezeiten sowie gleichbleibende Gesamtlagerbestände. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Arbeit mit theoretischen Produktionsmengen einen Vorteil bietet. Ein weiterer Vorteil liegt in der ruhigeren Produktion, der vereinfachten Planung und der leichteren Planbarkeit von Eilaufträgen. Dadurch steigen Effizienz und Produktivität noch weiter, ganz einfach deshalb, weil Mitarbeiter Zeit haben, Abläufe zu analysieren, statt ad hoc Probleme lösen zu müssen.

Einige Punkte sind im Modell und in der Analyse unberücksichtigt geblieben. So wurden Ausfälle in der Rohstoffversorgung nicht betrachtet, obwohl sie in der Praxis durchaus vorkommen. Auch wurde nicht berücksichtigt, dass Artikel im Laufe des Jahres von Lager- auf Bestellprodukte wechseln können und ggf. saisonalen Einflüssen unterliegen.

Ferner hängt der zu erzielende Gewinn von der gewählten Mindestgröße eines Produktionslaufs ab, die wiederum in einem direkten Zusammenhang zur Anzahl der benötigten Läufe und zum Gesamtlagerbestand steht. Je größer der Produktionslauf, desto stärker nimmt der Lagerbestand zu, und desto geringer die Anzahl der benötigten Produktionsläufe. Für die Berechnung wurde davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Lagerprodukt mehrmals am Tag produziert werden muss, maximal 5 % betragen darf. Die Entscheidung, wie oft ein Produkt hergestellt werden darf, hat im theoretischen Modell einen großen Einfluss auf das Ergebnis. Die Tatsache, dass in der Optimierung und der Analyse von Nachfragemustern ein erhebliches Gewinnmaximierungspotential steckt, ist jedoch unbestreitbar. Man muss es einfach nur machen!